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Art

Kunst ist, wenn man´s nicht kann, denn wenn man’s kann, ist’s keine Kunst.
Johann Nestroy

Kunst ist nicht ein Spiegel, den man der Wirklichkeit vorhält, sondern ein Hammer, mit dem man sie gestaltet.
Karl Marx

Wenn zweifelhafte Mädchen mit nackten Beinen tanzen, so bringt dies keinen Nutzen, doch manche sehen sich das gerne an – also ist es Kunst.
Lew Nikolajewitsch Tolstoi

Kunst ist im höchsten Ausmaße eine männliche Funktion.
Emil Nolde

Kunst ist, was man nicht begreift.
Markus Lüpertz

Dringender Aufruf an Vernissagen-Redner, Katalogvor- und nachwortschreiber, Kunstschriftsteller, Feuilletonisten, ART-Redakteure, Podiumsdiskutierer, Round-Table-Experten, Smalltalker, Partygänger, Kulturpolitiker, Kunsterzieher, Oberstufenschüler, Frühstücksdirektoren! Gewarnt wird vor exessiver Ausbeutung des Taschenbuchs, in dem o.a. Zitate verzeichnet sind. Nur mäßiges Garnieren Ihrer Drucksachen und Reden mit den von Andreas Mäckler fleißig gesammelten und schön geordneten Lesefrüchten garantiert langen Nutzen und anhaltendes Renomee. Denn kaufen werden, ja müssen es alle – und sei es nur, um bequem kontrollieren zu können, ob Sie zu ausgiebig darin gefrühstückt haben.

Art – Das Kunstmagazin, Nr. 9 / September 1987

Spiegel

Kunst: Hammer und Spiegel

„Was ist Kunst?" Mancher wüßte es gern, doch eine bündige Antwort bleibt aus. Mit statt dessen 1083 – zitierten – Antworten umkreist ein DuMont Taschenbuch (232 Seiten; 16,80 Mark) das zum Titel erhobene Definitionsproblem, das der Herausgeber Andreas Mäckler „ungelöster denn je" findet. Dichter- und Denkerworte aus zweieinhalb Jahrtausenden, einander ergänzend, aber auch schrill widersprechend, bieten eine lehrreich amüsante Lektüre. Kunst, erfährt man, sei das „Ideal des Handwerks" (Lissitzky) und doch auch „Magie, befreit von der Lüge, Wahrheit zu sein" (Adorno), „mitgeteilte Lust" (Nietzsche), „harmlos und wohltätig" (Freud), die „Vollendung der Natur" (Ovid), „eine besondere Form der Verkündigung einer Wahrheit" (Oberverwaltungsgericht Münster), außerdem „ein Spiegel, der ‘vorausgeht’ wie eine Uhr" (Kafka) – nein, „nicht ein Spiegel, den man der Wirklichkeit vorhält, sondern ein Hammer, mit dem man sie gestaltet" (Marx). So scheinen die Kunst-Definitoren bisweilen in heftige Streitgespräche zu geraten. „Die Kunst ist überflüssig", dekretiert der französische Sprüchemacher Ben Vautier. „Ganz bestimmt!", versetzt der polnische Aphoristiker Stanislaw Jerzy Lec, „ich weiß sogar für wen."

Der Spiegel, Nr. 32 / 3. August 1987

Tagesanzeiger

„Kunst ist..."
Von Fritz Billeter

Es gab eine Zeit, da man glänzen konnte, wenn man imstande war, „geflügelte Worte" grosser Geister ins Gespräch einzuflechten. Wer seinem Bildungsstand aufhelfen konnte, griff zum „Citatenschatz" von Georg Büchmann, einer Fleissarbeit, die seit 1864 bis heute über dreissig Auflagen erlebt hat. Die soeben erschienenen 1080 Zitate, unter dem Titel „Was ist Kunst..?" in einem Dumont-Taschenbuch vereint, hat Andreas Mäckler gewiss nicht wie Büchmann aus gläubiger Bildungsbeflissenheit zusammengetragen.

Ein Amusement – und mehr
Mäckler kam einfach ein glücklicher Einfall während einer nächtlichen Autofahrt nach Köln, wie er in seiner „Vorbemerkung" zugibt. Er bereitet uns denn auch mit seiner Zitatensammlung in erster Linie ein anregendes Amusement. Was Kunst nun wirklich sei, weiss man nach der Lektüre vielleicht erst recht nicht, denn Mäcklers Gewährsleute (aus zwei Jahrtausenden) widersprechen sich oft schroff und oft auf derselben Buchseite. So steht etwa „Ernst ist das Leben. Heiter ist die Kunst" (Schiller) gegen „Ernst ist die Kunst und heiter das Leben" (Schwitters).

Mäckler hat seine Zitatensammlung geradezu auf solche Widersprüchlichkeit hin geordnet, innerhalb von zwölf nach thematischen Gesichtspunkten gegliederten Kapiteln streicht er sie heraus. Derart wird einem leichthändig ein erkenntnistheoretisches Problem nahegebracht: Die grossen Gemeinplätze der Kulturgeschichte – etwa „Mensch", „Gott", „Freiheit" und eben auch „Kunst" – entziehen sich schliesslich jedem definitorischen Zugriff; man wird ihrer besser dadurch inne, dass man die Geschichte ihrer Widersprüche oder ihres Sowohl-als-auch annimmt.

Aktuelle Fragestellung
Die Einsicht, dass Kunst sich nicht definieren lasse, verbunden mit dem Hunger, sie dennoch irgendwie in ihrem Innersten zu begreifen, entspricht unser Jahrhundert. Gerade die „modernen" Künstler haben mit Werkstoffen, Formen und Themen experimentiert, die man sich früher nicht träumen liess. Bei einem solchen Aufbruch ins Offene geht ohnehin jede Definition zuschanden, die ja naturgemäß ihren Gegenstand festzulegen trachtet. Die Definitionsnot unserer Zeit (fast immer auch ein Symptom für eine allgemeine Desorientierung im individuellen Leben und in der Gesellschaft überhaupt) hat sich selbstverständlich auch in Reflexionen und Aussagen über die Kunst niedergeschlagen. „Kunst=Kapital", „Kunst=Mensch", „Kunst=Kreativität=Freiheit" - solche Gleichungen von Joseph Beuys, dem wohl wirkungsmächtigsten Kunstmagier der sechziger bis achtziger Jahre, verraten doch, dass dieser am liebsten sagen würde, „alles" sei Kunst.

Die Grenzen
Um nicht in der Unzählbarkeit überlieferter Aussagen über Kunst zu ertrinken, hat Mäckler strikt nur solche berücksichtigt, die in der festgeprägten Sprachformel der Definition „Kunst ist..." erscheinen. Diese Beschränkung, gesteht der Autor, habe allerdings auch zu „problematischen Auslassungen" geführt. Da können zum Beispiel die grundlegenden Einsichten zu einer Kunsttheorie von Plato in dieser Sammlung nicht Platz finden, weil seine Darlegungen eben nie die erwähnte „klassische" Satzstruktur der Definition abzugewinnen war.

Es wäre an der Zitatensammlung von Mäckler auch einiges auszusetzen, sogar Tiefsinniges, eben Erkenntnistheoretisches. Ich begnüge mich mit einem eher praktischen Hinweis. Ich glaube nicht, dass es angeht, einen gewissen Armin Sandig, einen gewissen Dieter Körber und G.A.O. Collischon (um nur diese paar Beispiele zu nennen) mit nicht weniger als je acht Zitate mitzuführen, ohne dass der Leser erfahren kann, wann und wo diese Leute gelebt, was sie getrieben haben. Auch die Versicherung von Mäckler nützt mir da nichts, dass längst mehr als der gute Wille des Buchverlags mobilisiert worden sei, um die Identität der Zitatebelieferer herauszufinden.

TagesAnzeiger, 17. September 1987

Zeit

Was ist das: Kunst?

Es ist mehr als zehn Jahre her, daß Wolfgang Max Faust, damals noch Berliner Student, heute Kunstkritiker und -promoter, aus eigener schmaler Brieftasche eine Broschüre publizierte, Resultate einer Umfrage, die er in seiner Alltagsumwelt zur Definition von Kunst veranstaltet hatte. Kunst sei ein „abgewirtschafteter Begriff", stand da (aus professoralem Mund), oder: Kunst sei „etwas Schönes zu schaffen – mit Leichtigkeit, weil man dazu begabt ist" (Else S., eine Angestellte), sei „ein durch die Brille eines Temperaments betrachtetes Stück Schöpfung" (Willi M., Klempnermeister), schlicht „Ausdruck in Vollendung" (Nina K., Sekretärin), „gute Musik, Theater, Bilder" (Inge F., Kosmetikerin) oder „etwas was man nicht definieren kann" (Lisa O., Kauffrau). Die originellste Antwort floß aus einem Arbeiterkugelschreiber und wurde deshalb als Aufmacher auf die Titelseite gerückt: „Die deutschen Wörter ‘Kunst’ und ‘Liebe’ haben zu viele Bedeutungen. Spielt ein Musiker auf einer Trompete Klarinette, so nennt man das Kunst und 10 000 kopieren das Verhalten. In Deutschland ist alles Kunst, nur der Kunsthonig nicht".

Originelle Einfälle gehen nicht unter: Sie kommen an unterschiedlichem Ort und zu unterschiedlichem Zeitpunkt immer mal wieder zum Vorschein – und verblüffen erneut! Das ist der Fall mit dem bei DuMont unter dem Titel „Was ist Kunst..?" veröffentlichten Taschenbuch. Anders als Faust sondiert der Herausgeber Andreas Mäckler allerdings nicht im eigenen – trivialen – Lebensbereich, sondern präsentiert von der Antike herauf bis in die unmittelbare Gegenwart quer durch alle mögliche schöne Literatur, Philosophie, Essayistik, Aphoristik, Kunstkritik etcetera eine eintausendachtzig Einzelzitate umfassende Blütenlese, die – wie nicht anders zu erwarten – das Widersprüchlichste in sich versammelt. Wie kaum ein anderer Begriff hat gerade der der „Kunst" seit jeher die verschiedensten Besetzungen erfahren und ist im Streit der Meinungen gestanden, und eben dies macht seinen Reiz und Verwirrung aus, die er stiftet.

Das Buch setzt mit Aristoteles ein. „Die Kunst also ist – wie gesagt – eine auf Hervorbringung gerichtete Haltung..." – und endet mit Timm Ulrichs’ „ENTGÜLTIGER schtellunkname: die geschichte aines forurteils, es gibt keine ‘kunstwerke’ nur gegnschtende künstlerischer (estetischer) betrachtungswaise".

Dazwischen tummelt es sich, hüpft hierher und dorthin: „Kunst ist eine Inhaltsfrage" (Goethe), „Kunst ist eine Polarisation: ihr Funke schlägt über von der sich entfremdenden, in sich hineingehenden Subjektivität auf jenes nicht von der Rationalität Veranstaltete, jenen Block zwischen dem Subjekt und dem, was einmal in der Philosophie das Ansich hieß" (Adorno), „Kunst ist eine Art Aufruhr" (Picasso), „Kunst ist ein hartes Geschäft, und man geht drauf oder man schafft’s" (Spoerri). Hier ist die Kunst reinster Ausdruck der Wahrheit, dort – ganz konträr – gleichbedeutend mit Lüge, mal definiert sie sich konservativ, mal revolutionär, mal gleichgesetzt mit „Leben", mal ferngerückt als „Ideal", mal „in allen ihren Phasen ein gesellschaftliches Phänomen" (Lukacs), mal esoterisch bis dorthinaus. Schade, daß der Herausgeber für dieses Wirrwarr keine adäquate Struktur gefunden hat, sondern sich in seinen Kapitelüberschriften doch wieder an alte Ordnungskategorien wie „Kunst als Natur", „Kunst als Wissenschaft", „Kunst als Schönheit", „Kunst als Politikum" gehalten hat; auch stellt man beim genaueren Hinsehen etwas enttäuscht fest, daß im Nachweis der Zitate, mit dem man doch noch einmal eine eigene vertrackte Fährte hätte legen können, des öfteren etwas unbeholfen aus zweiter, dritter und vierter Hand zitiert wird.

Das mindert jedoch den Reiz der Unternehmung nicht allzusehr, weil sich jeder Leser ja seine eigene Schneise durch dieses Zitatengestrüpp ziehen oder sein eigenes Labyrinth anlegen kann. Wer das Buch zur Hand nimmt, darin hin- und herblättert, sich festliest und dabei feststellt, daß die eigene Auffassung von Kunst in dieser Publikation noch keinen Niederschlag gefunden hat, ist aufgefordert, die entsprechende Formulierung möglichst rasch zu Papier zu bringen und an den – in der Kunstpublizistik der Bundesrepublik führenden - DuMont Verlag zu schicken; ich selbst mache (mich eines Beitrags für ein Symposium zum Thema „Wozu überhaupt Kunst?" im Jahre 1979 entsinnend) den Anfang – auf „gut hessisch", versteht sich: „Wozu überhaupt KUNST? bist a depp, bist a trottel, vastehst nix vonna nix: weil ma net allaweil nua essa, supp schlürfa, knödla essa, kraut essa, fleisch essa, fleisch fressa, knödla fressa, sauffa, bier sauffa, wein sauffa, schnaps sauffa, vögla (allaa, zu zwett, zu dritt), arbeita, schuffta, de arm ausrenka, schwitza, mied sein, hungrig sein, dositza, die zeitung lesa, fernsehn gucka, schlofa, träuma, uffsteha, mied sein, arbeita, essa, trinka, fressa, sauffa, weil ma net allaweil nua vögla kaa, daderzu is KUNST da!"

Karl Riha: Die Zeit, 30. September 1988

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