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Der erfolgreiche Münchner Unternehmer, der Knopffabrikant Kurt Delsing, wird in seinem Designmuseum erschlagen aufgefunden. Eine Designstudentin, die sich zwei Stunden zuvor bei Delsing beworben hatte, gerät unter Mordverdacht. Beweis: Fingerabdrücke auf der Mordwaffe – einer Designerleuchte. Kommissar Calder und seine Assistenten vom Münchner K 111 geraten in ein Millieu, das sie mehr fasziniert als schreckt. Wohin sie blicken, Verdächtige: ein Jungdesigner mit Vater- und Geldproblemen, ein Hyperdynamiker, der mit Produktfälschungen handelt. Ein genialer Designkünstler, zerrissen zwischen Kreativität und Kommerz. Ex-Frau und Sohn, die um ihr Millionenerbe fürchten. 

Mord im Designermillieu – ein Verstrickung in den Netzen von produktdesign und Kreativität, von Markenbetrug, Eifersucht und Global Playing. 

"Genialer Designerkrimi."
Klaus J. Frahm, in Fritz Magazin 1/2001

Aus dem Inhalt:

 

Ein Blick in die Welt beweist, 
daß Horror nichts anderes ist als Realismus. 

Alfred Hitchcock

1. Kapitel 

Im Vexierspiegel, der quer über Eck unter der Decke hing, spiegelte sich der Raum mit dem angrenzenden Flur, der ins Unendliche zu führen schien. Mit einem Tastendruck veränderte Delsing die Neigung des Spiegels, und die Raumflucht zog sich ins Breite. "Wie sich die Welt der Gegenstände mit einem Knopfdruck verändern läßt." Delsing ging auf die junge Frau zu und reichte ihr die Hand. "Schön, daß Sie den Weg zu mir gefunden haben, Eva." 

"Ein hübsches Spiel mit Schein und Sein, Herr Delsing." Ihr Blick wanderte von seiner Hand zu den Leuchtobjekten und zurück zu dem smarten Mann mit der bunten Mickey-Mouse-Krawatte. Eva war leicht verunsichert, wie sie sich Delsing gegenüber in seinem Privathaus verhalten sollte. Bisher kannte sie ihn nur als ihren Professor an der Hochschule für Gestaltung. 

Er lächelte amüsiert. "Sie sind sprachlos?" 

Eva wich seinem intensiven Blick aus. "Natürlich habe ich schon viel über ihre enorme Sammlung gehört und gelesen, wußte aber nicht, daß es bei Ihnen privat genauso wie in Ihrem Museum aussieht." 

"Ja, da sammelt sich was an in einem Menschenleben." Delsing ließ die Augen über seine Stuhlgruppen schweifen. 

"Vieles, was ich nur als Diaprojektion aus den Seminaren kenne, sehe ich jetzt bei Ihnen im Original. Cool!" 

"Ja, die Projektionen." Delsing hob die Hände. "Generationen von Theoretikern sind dadurch schon zu falschen Schlüssen gekommen. Design muß brauchbar sein." 

Eva traute sich nicht zu widersprechen. 

"Kommen Sie, ich zeige Ihnen meine Schätze." Delsing lächelte selbstgefällig. "Die sollen Sie ja mal hüten." 

Evas Herz machte einen Satz. "Das heißt, sie geben mir den Job?" 

"Dazu kommen wir gleich. Sehen Sie mal!" Er legte ihr den Arm um die Schulter. "Rationalistische Designschule. Diese Leuchte sagt alles. Wir möchten Funktionalisten sein und Design durch die technische Funktion rechtfertigen. Deshalb sind wir Designer keine Künstler. Dafür aber große Formalisten." 

"Da würde ich Ihnen aber gerne widersprechen. Die Leuchte stammt doch von De Lucchi?" 

Delsing stieg Evas Parfum zu Kopf. Schöne Düfte konnten ihm schon mal die Sinne rauben. "Richtig", sagte er und wies auf eine zweite Schreibtischleuchte. "Das ist die berühmte Ipotenusa von Castellani. Ihr Licht wirkt angenehm auf die Augen, der schmale, diagonal verlaufende Inoxstab drängt sich nicht ins Blickfeld. Sehen Sie!" Er zog das Objekt näher heran. "Der Stab ist einfach in den Sockel eingesteckt. Man kann hier sitzen und die Lichtquelle überhaupt nicht wahrnehmen." 

"Für uns heute eine fremde Schönheit." Leichte Röte schoß Eva ins Gesicht. Hoffentlich war sie mit ihrer Kritik nicht zu weit gegangen. 

"Nein nein, Design sollte unsichtbar sein. Das gilt auch heute, genauso wie für das Make-up der Frauen." Er warf ihr einen koketten Blick zu und dozierte weiter. "Wenn eine Leuchte eine dekorative Funktion erfüllen soll, dann durch ihre Lichteffekte. Heute jedoch werden viel zu viele Leuchtkörper entworfen, die eher Kunstwerke sind – ein Affront gegen die Funktion." 

"Ja", sagte Eva. Sie fühlte sich zunehmend unbehaglich mit seiner Hand auf ihrer Taille. "Herr Delsing, könnten wir jetzt über mein Arbeitsgebiet sprechen?" 

"Nun seien Sie nicht so zielstrebig, junge Frau! Gönnen Sie mir doch den Spaß, meine Schätze vor Ihnen auszubreiten." Er hob ein Messer aus einer samtbeschichteten Kassette und hielt es gegen das Licht, nahm die passende Gabel dazu, kreuzte sie mit der Klinge und freute sich über sein Schattenspiel. Sorgfältig legte er das Besteck zurück, nahm dann einen geflochtenen Warenkorb vom Boden, hob und senkte die Metallkugel eines Wandhakens, der wie ein Flaschenzug aussah, öffnete und schloß eine silberne Zuckerdose, setzte sich auf einen Bürostuhl und fuhr Karussell, beugte sich über eine Vitrine mit seiner Brillensammlung und redete unablässig weiter. Auf dem Boden verteilt, an den Wänden hängend, in Schaukästen angeordnet, bevölkerten wohl tausend Objekte den Raum. 

Er sah zu Eva hinüber und fixierte sie sekundenlang. "Sie können die Stelle haben. Es würde mich sogar freuen, wenn Sie sie haben wollten, Frau Dorn." Delsing kletterte von einer Apparatur herunter, die der ärztlichen Diagnostik diente. Er hatte sie zusammen mit einem Traumatologen entwickelt und war besonders stolz darauf, daß es ihm gelungen war, obwohl er sich nur theoretisch mit Design beschäftigte, eine praktische Lösung zu erfinden. Er hatte dem medizinischen Abschreckungsapparat durch die geschmeidige Polyesterverschalung eine menschliche Form gegeben. "Die perfekte Form bleibt Wunschtraum", sagte er, "aber ich habe maßlose Lust zu spielen. In dieser Beziehung bin ich ein Kind geblieben. Aber ein Kind, das gern Champagner trinkt. Trinken Sie ein Glas mit mir, Eva?" 

Zwei Stunden später fand man Delsing zwischen Papierkörben von Konstantin Grcic am Boden liegend. Das untere Ende des Inoxstabs der Ipotenusa steckte 11,3 Zentimeter tief in seinem Schädel. Die Lampe leuchtete nicht mehr. 

"Sauber! Durchs linke Auge gestoßen", bemerkte der Polizeifotograf.

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